Muskelkrankheiten

Allein in Deutschland leben nach Schätzungen ca. 300.000 Menschen mit einer Muskelerkrankung, auch Muskelschwund genannt. Bei den meisten Betroffenen entwickelt sich die Muskelschwäche im Laufe des Lebens. 
Bei einigen Kindern fallen die Symptome direkt nach der Geburt oder in den ersten Monaten auf. Kinder mit einer  angeborenen Muskelerkrankung sind in der Regel stärker betroffen und schon sehr früh auf Hilfsmittel angewiesen. Ihre Lebenserwartung ist häufig begrenzt.

Es gibt sehr viele unterschiedliche Muskelerkrankungen, die alle einen genetischen Defekt als Ursache haben.

Maje hat eine sogenannte Laminopathie, weil die Produktion des Proteins “Lamin” gestört ist. 

Laminopathien

Laminopathien sind eine sehr heterogene Gruppe von Erkrankungen, die durch Mutationen im LMNA-Gen hervorgerufen werden. Die Krankheiten lassen sich in vier Gruppen einteilen, obgleich es auch Überlappungen gibt.

Muskelerkrankung

- EDMD (Emery Dreifuss)
- LGMD1b
- L-CMD
- DCM 1a

Periphere Neuropathie

Marie-Charcot-Tooth Neuropathie Typ 2B1

Erkrankungen des Fettgewebes

- Lipodystrophie Typ Dunningan (FPLD)
- Manidulo-akrale Dysplasie
- Lipoatrophie in Kombination mit Diabetes, Lebersteatose, HCM und Leukomelanodermie

Erkrankungen des vorzeitigen Alterns

- Werner Syndrom
- Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom
- Letale Restriktive Dermopathie

Grafik aus der Dissertation „Genetische Analyse des LMNA-Gens, kodierend für Lamin A/C, bei Patienten mit Hypertropher Kardiomyopathie und Non-Compaction Kardiomyopathie“ von Maraike Neubert.

Uns interessiert hier der Bereich der Muskelerkrankungen.

Lange  Zeit war nicht klar, zu welchen Symptomen eine bestimmte Mutation auf  dem LMNA-Gen führt. Mit genauer Sicherheit lässt sich das heute auch nicht sagen. Aber die Forschergruppe um die Französin Dr. Bonne hat 2020 herausgefunden, dass Mutationen zwar auf dem gesamten LMNA-Gen zu finden sind, es jedoch “Hotspots” für eine eher mildere Muskelschwund-Symptomatik und für einen gravierenderen Verlauf gibt. Für EDMD oder LGMD1b ist das p.Arg453Trp und für L-CMD ist das p.Arg249Trp.

Aus dem 2020 veröffentlichtem Paper von G. Bonne

Die überwiegende Mehrheit der L-CMD-Patienten (mehr als 83 %) weist Mutationen in Coiled-Coil-Domänen auf, im Vergleich zu 50 % bei EDMD oder LGMD 1b.

Gen- und Proteinstruktur von Lamin A/C

Was bedeutet das für Maje?

Majes Mutation befindet sich auf der Eiweißebene an der Stelle Asn456Asp (c.1366 A>G). Das heißt, dass sie mit höherer Wahrscheinlichkeit einen eher milderen Verlauf haben wird, aber mit einer 10% Wahrscheinlichkeit einen eher gravierenderen Verlauf.

Majes Symptomatik ist weder mild noch gravierend. Sie ist irgendwas dazwischen.

Die Krankheit tritt bei ihr erstmals innerhalb der Familie auf (Neumutation). Ihre Muskeln waren von Geburt an nicht gesund ausgeprägt, weil das Lamin nicht korrekt und ausreichend produziert wird. Dadurch bauen sich ihre Muskeln im Körper schneller ab und zerfallen. Mit der Zeit wird Maje immer schwächer. Die meisten Hauptmuskelgruppen des Körpers sind vom Abbau betroffen und im Laufe der Zeit auch das Herz und die Lunge. 

Maje ist jetzt 9 und auf einen Elektrorollstuhl angewiesen. Während sie bis zu ihrem 6. Lebensjahr noch sicher laufen und Fahrradfahren konnte, schafft sie nun nur noch ein paar Meter in der Wohnung. Sie ist insgesamt sehr schwach. Es fällt ihr schwer vom Boden aufzustehen, frei zu sitzen oder ein Glas zum Mund zu heben.

Aufgrund der schwachen Rückenmuskulatur hat sie eine starke Wirbelsäulenverkrümmung entwickelt und trägt täglich ein Korsett, was die operative Versteifung ihrer Wirbelsäule hinauszögern soll. Überhaupt geht sie so selbstverständlich mit ihrer Situation um. Sie klagt kaum, hat zum Glück keine Schmerzen und ist insgesamt ein sehr fröhliches und unbeschwertes Kind.

Leider gibt es derzeit keine Heilung oder Behandlung, die den Prozess der Krankheit verlangsamen könnte.  Das wollen wir ändern!

Maje ist sehr ehrgeizig und schafft trotz ihrer Schwäche Unglaubliches - wie hier 🙂